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Der erste Tag

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Lesevergnügen

Was für ein Start


Ich liege in meinem kleinen Fietscaravan und kann alles noch gar nicht glauben. Es ist 22:42 vor knapp 11 Stunden bin ich aufgebrochen. In diesen 11 Stunden ist der Ausgangsimpuls meiner Reise - "Vertraue und die Dinge werden sich fügen" mehr als bestätigt worden. Angefangen mit der herzlichen Unterstützung von Rudi - dem Vater und Schöpfer meines Wegbegleiters. Optimistisch empfahl er mir, gleich heute auf die Insel zu fahren (45km bis zur Fähre). Er rief vorher schon beim Campingplatz an und erkundigte sich ob es noch Platz gibt - und ja zwischen einer Gruppe afrikanischer Trommler aus Amsterdam. Wow, was hätte es Schöneres geben können. Das erste Mal, dass ich heute mein Glück nicht fassen konnte. Angetrieben von dem wunderbaren Gedanken heute Abend irgendwo auf einer holländischen Insel in der Natur zwischen Trommlern zu tanzen, fuhr ich meine ersten Meter. Nach 3km nahezu ekstatischem Glückszustand und einem Lächeln weit über mein Gesicht hinaus, schaltete sich das erste Mal die Realität ein. Mein Reisegeschwindigkeit lag irgendwo zwischen 10 und 14km, der Versuch mit dem Minimal-Unterstützungsprogramm meines E-Rades "Jonathan" quasi dahin zu fliegen, erwiesen sich als nette Idee. Knie, Rücken und Beine warfen auch schon ein, dass das jetzt aber nicht mein Ernst sein kann. Mit einstimmend die Stimme meines Opas "Ja ja du wirst keinen Spaß mit dieser Sache mit dem Hänger haben". Nein nein nein, dass kann es nicht sein. Nur noch 40km bis zur Fähre - einen Blick auf den Zwischenstand wie lange meine Akku wohl noch durchhalten würde - whoop, was ist passiert - als ich losfuhr wurden mir 85km in Aussicht gestellt - 5km später waren es 30km und weitere 2km später 23km. Mal testen wie es sich ohne Motor fährt - 2km später, das Bild von Fussballer Waden und Gewichtsheber Oberschenkeln vor meinem geistigen Auge - sowohl Waden als auch Oberschenkel noch mal mit dem Einwurf - das ist ein Scherz oder? Der Kopf ganz klares Ziel. Die Insel und die Trommler - es muss doch eine Lösung geben - wie wäre es alle Gänge auszuprobieren? Oder Ballast jetzt schon abzuwerfen? Energieriegel? Pause? Nein, alles keine Lösung, es muss weiter gehen. Was sagt die Körperarbeit an dieser Stelle, wenn Knie, Waden und Rücken einstimmig, die Idee mit dem Anhänger für nicht ganz so gelungen halten. Probieren wir es mal mit einer Übungen aus dem Jin Shin Jyutsu - Einatmen und die Energie fließt den Rücken rauf, ausatmen, die Energie fließt die Vorderseite wieder runter bis in die Füße. Und bloß nicht anspannen - nicht verkrampfen und nicht schon nach den ersten 5km wieder das altbekannte Leistungsdenken an den Tag legen. Kilometer 15 - konditionell würde ich es bis zur Insel schaffen, allerdings nur mit meiner Basisunterstützung. die kündigt aber bereits jetzt Feierabend für heute an - noch 8km - mhhh, na das klappt ja großartig. Dann vielleicht doch erstmal eine Fühlpause. Auf einem großen Parkplatz vor einem Chinesischen Restaurant der erste offizielle Halt - Anhänger losgemacht - alles festgestellt und in den Hänger gelegt. Internet funktioniert nicht - die Idee nach Schiermonnikoog zu kommen auch nicht. 2 Minuten später halten zwei Männer auf dem sonst komplett Menschen leerem Parkplatz neben mir an und fragen mich etwas zum Anhänger - wünschen mir eine gute Fahrt und sind wieder weg - 1 Minute später kommen sie zurück und schenken mir eine kompakte Hollandkarte und wünschen mir erneut alles Gute. Dankbar und breits jetzt total beglückt durch die ungeahnte Unterstützung, fass ich neuen Mut und entscheide mich nach ein paar Nüssen und Rosinen weiter meines Weges zu fahren - atmen nicht vergessen ;). Kaum auf dem Rad höre ich einen deutlichen Widerstand am Rad. Nein, ich bin keine 20km unterwegs und schon verlässt mich das Rad. Ohr ans Rad und mich vom Geräusch leiten lassen. Aus irgendeinem Grund ist die Bremse hinten viel zu eng an der Felge - etwas geruckelt, das erste arrrrgh - keine Verbesserung - Hinterrad gelöst und wieder befestigt - keine Besserung - am Bremsbügel gezogen - einen Hauch besser.. also kann es weiter gehen. Oder auch nicht, eine Familie hält soeben neben mir und sagt etwas mir unverständliches auf Niederländisch - ich frage nach dem nächsten Camping Platz und es wird in einem viel zu schnellen Niederländisch etwas ausgetauscht, dass ich nicht verstehen. Also nonverbalen Kommunikation beobachten. Gerade als ich sagen wollte, ist schon gut - vielen Dank, es wird sich bestimmt etwas ergeben, bietet mir die Frau an ihnen zu folgen und wenn ich möchte bei ihnen auf dem Hof zu campieren. Der Kopf sagt nein, es ist für heute noch nicht Schluss, was ist mit den afrikanischen Trommeln - willst du jetzt schon aufgeben.   Ich frage, wieviele Kilometer sie weg wohnen, nach der Antwort von 5km, sagt der Körper leise ja und der Kopf stimmt widerwillig ein. Was dann folgte war besser als jeder Campingplatz. Ein wunderbares Plätzchen in Mitten der Natur und einer noch wundervolleren Familie. Bettie, Peter, Foka und Jacco haben meinen Abend unvergesslich gemacht. Eine Hofführung, Pizzaessen auf der Veranda, Trampolin springen, Niederländisch-Lessons und das Highlight: ein privates Konzert von Foka (11Jahre) direkt vor meinem Fies-Caravan. Ich bin überwältigt und dankbar "voor deze mooie eerste dag"!